Mittwoch, 27. Mai 2015

#44 273

Genau heute vor 273 Tagen, bin ich in den Flieger gestiegen, der mich über den Atlantik in die USA gebracht hat. Seit 6552 Stunden atme ich nordamerikanische Luft ein und seit 177 Nächten träume ich nur noch auf englisch. 9 Monate ist es her seit ich das letzte Mal auf deutschem Boden gestanden habe, fast täglich öffentliche Verkehrsmittel benutze, gutes Brot mit guter Butter esse und in meinem eigenen deutschen Bett schlafe. 9 Monte voller unvergesslicher Momente liegen hinter mir, die mich nicht nur erwachsener, sondern auch zu einem teilweise anderen Mensch gemacht haben. Ich befinde mich auf einer dauerhaften Achterbahnfahrt. Mal fahre ich hoch bis auf die Spitze der Bahn und genieße die Aussicht für eine Zeitlang, aber dann endet die Freude und es geht wieder mit Höchstgeschwindigkeit bergab. Und das ganze passiert nicht nur einmal, sondern mehrere Male. Ich denke, dass eine Achterbahn die perfekte Metapher für ein Austauschjahr ist. Anfangs geht es steil bergauf, da man aufgeregt ist und alles toll ist und einfach anders, schön anders, aber nach einiger Zeit wird alles zum Alltag und Ruhe kehrt ein, man fängt an sich manchmal nicht mehr so gut zu fühlen und dann fängt die Achterbahn an langsam wieder nach unten zu fahren, bis sie gegen Dezember endgültig unten angekommen ist und man über Weihnachten Heimweh bekommt und gerne Zuhause wäre, doch das hält nur für kurze Zeit an und der Zug beginnt wieder auf die Spitze hochzufahren, wo er im besten Fall bis kurz vor Ende bleibt. Die letzten paar Wochen werden dann aber wieder etwas schwerer, da man begreift, dass es bald vorbei ist und man das was man 10 Monate lang aufgebaut hat einfach zurück lassen muss und sich wieder auf den Heimweg begibt. In den zehn Monaten, die man sich nicht in seinem gewohnten Umfeld befindet und ein ganz neues Leben mit anderen Leuten aufbaut, merkt man erst so richtig, wie einem das gewohnte und vielleicht auch langweilige Deutschland doch am Herzen liegt. Zumindest war und ist das bei mir so. Ich habe mein Heimatland zu schätzen gelernt und bin glücklich dort in einem stabilen Umfeld aufgewachsen zu sein. Hier habe ich doch gemerkt, dass es nicht immer einfach ist, dass es nicht jedem so gut geht wie mir. Nicht nur finanziell, sondern auch gesundheitlich. Ich habe gelernt mit Krankheiten umzugehen, da ich viele Leute kenne, die diese haben, auch welche die für immer da sein werden. Dies hat mir gezeigt, dass man damit Leben kann und auch glücklich ist. Ich hab das vorher noch nie wirklich so mitbekommen wie hier. Meine Gastschwester leidet an einer milden Form von Lupis und muss sich zweimal pro Tag eine Nadel in den Bauch stecken, was ich sehr tapfer finde, da ich Angst vor Nadeln bzw Spritzen habe. Ich nehme mir Leute wie sie jetzt zum Vorbild und blicke zu ihnen herauf. Erlebnisse wie dieses haben mich stärker gemacht und mir gelehrt mein leben zu genießen und nicht alles nur pessimistisch zu sehen. Wenn meine Schwester mit lebenslanger Krankheit ihr Leben genießen kann, dann kann ich das genauso gut und genau das mache ich. Ich genieße jeden einzelnen Tag und versuche das Beste daraus zu machen, auch wenn es nicht immer einfach war/ist. Es ist für mich nicht immer einfach, da ich hier nie zu 100% Anschluss gefunden habe und auch jetzt nachdem mein Jahr fast zu ende ist immer noch nicht wirklich Freunde gefunden habe, aber ich versuche das Beste daraus zu machen und mich so oft es geh mit denen zu treffen die ich habe. Einfacher macht es, dass ich eine super zweite Familie für mich gewonnen habe und viel mit ihnen unternehme, sei es auch nur der wöchentliche Lebensmitteleinkauf, ich habe Spaß daran und genieße es. In der Zeit in der ich jetzt hier bin durfte ich einige verschiedene Fassetten der USA kennenlernen. Sei es das bunte treiben in New York, das mich schon am Anfang meines Abenteuers begrüßt hat oder bunte und laute Straßen in Las Vegas, die mich in ihren Bann gezogen haben. Manchmal haben wir es auch gemächlicher angehen lassen und haben am Strand von Huntington  in Kalifornien die Seele baumeln lassen oder sind durch das grün Washingtons gelaufen als wir den Mt. Rainier Nationalpark erkundet haben. Das und noch viel mehr werde ich nie mehr wieder vergessen und jeder Ort den ich hier gesehen habe wird immer einen Platz in meinem Herzen haben, genauso wie auch die Leute die ich hier getroffen und lieben gelernt habe. Mein Austauschjahr war in vielen Dingen ganz anders als ich es mir vorgestellt hab und auch nicht das beste Jahr meines Lebens, aber es war perfekt so wie es war. Nicht alles war einfach und schön, aber das ist das was es für mich einzigartig und unvergesslich macht. Ich weiß, dass es noch nicht vorbei ist und noch einige Highlights auf mich warten, aber dennoch wollte ich das alles jetzt schon loswerden, da 9 Monate schon eine gewaltige Zeit sind. Ich war noch nie so lange alleine von Zuhause weg, aber bereue es in keinster Weise und würde es wieder tun. So ein Austauschjahr ist mit das Beste was man in seinem Leben machen kann. Ich für meinen Teil habe viel über mich gelernt, was ich zuvor nicht wusste und das macht mich glücklich. Innerhalb der letzten 9 Monate habe ich immer mehr zu mir gefunden und habe fast komplett herausgefunden, wer ich wirklich bin. 

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